Conchita Wurst: "Jeder
Tag wie ein Geburtstag"

Die Song-Contest-Gewinnerin über ihr erstes Album, ihr Buch und Dagmar Koller

von
Zukunftspläne - Conchita Wurst: "Jeder
Tag wie ein Geburtstag"

Bald liegt Ihr Triumph beim ESC 100 Tage zurück: Ist Ihr Leben seither so verlaufen wie gedacht?

Conchita Wurst: Oh Gott - was hatte ich für eine Erwartung? Seit meiner Rückkehr aus Kopenhagen ist jeder Tag wie Geburtstag. Auch wenn ich nicht unterwegs bin, bekomme ich zumindest eine E-Mail aus dem Büro: "Du glaubst nicht, wer sich gemeldet hat!" Jeden Tag passiert etwas ganz Großartiges - und das ist schon fast befremdlich. Das liegt wohl in der Natur des Menschen, das man denkt: Das ist schon fast zu viel des Guten. "Ist das denn alles noch wahr?", denke ich mir da oft. Aber es ist alles wahr! In der E-Mail wirkt es noch befremdlich, und dann stehe ich zwei Wochen später wirklich für Jean Paul Gaultier auf dem Laufsteg.

Es gab tatsächlich einen Tag seit Ihrem Sieg, an dem Sie nichts gemacht haben?

Wurst: Naja, ich werde auch ständig gefragt, ob ich schon müde bin oder überlastet. Gar nicht! Zum einen weiß ich, dass ich mich mein Leben lang darauf vorbereitet habe, diese Art von Leben zu führen. Deswegen genieße ich das sehr. Zum anderen ist es immer noch so, dass ich in einem anderen Stadium der Entspannung bin, sobald ich die Perücke abnehme. Tom liegt nur daheim auf der Couch oder im Hotelzimmer rum, sage ich immer scherzhaft.

Haben Sie keine Angst, dass der Hype, die Welle, die Sie derzeit trägt, auch wieder radikal vorbei sein kann?

Wurst: Es ist ganz schwer, das zu genießen. Das kann ich kaum, weil ich Perfektionistin bin und alles, was ich mache, mir nie genug sein kann. Das Genießen muss ich noch lernen. Und die Angst, dass der Hype vorbeigeht, die hat jeder Künstler. Man ist nur so gut wie sein letztes Produkt. Und so sehe ich das auch. In diesem Business hat man keine Garantie. Nur weil man den Song Contest gewonnen hat, hat man nicht für immer ausgesorgt - das ist ein Schwachsinn. Ich bin genauso gut wie das, was ich jetzt musikalisch von mir geben werde. Und dafür lasse ich mir genauso viel Zeit, bis ich sage: Ich kann mit diesem Song feiern und weinen. Ich will ein Album kreieren, bei dem ich sagen kann: "Auch wenn es nichts wird, habe ich mir nichts vorzuwerfen."

Waren Sie nie in Versuchung, ein Coveralbum auf den Markt zu werfen, um schnell Geld zu machen?

Wurst: Fehler werden in dieser Branche nicht verziehen. Wenn das nicht funktioniert, habe ich eine sehr große Chance vertan. Noch habe ich die Chance, nach dem Sieg einen tollen Song rauszubringen. Da warte ich lieber länger, um etwas Ordentliches zu machen, als dass ich auf schnellschnell was rausbrate. Unsere Gesellschaft ist so schnell! Genau dagegen möchte ich arbeiten. Ich brauche keine vorgefertigten Regeln, wie man erfolgreich wird.

Wissen Sie denn schon, wann Ihr erstes Album auf den Markt kommen soll?

Wurst: Ein Veröffentlichungsdatum gibt es noch nicht. Aber ich arbeite schon an Musik und es wird weiter gesucht. Wir sitzen natürlich nicht da und drehen Däumchen. Aber gut Ding braucht Weile. Bisher habe ich noch nicht den ultimativen Hit. Aber ich bin sehr zuversichtlich. Es geht in eine gute Richtung, die ich aber noch nicht beschreiben kann. Ich schließe die große Movie-Nummer nicht aus, aber ich nehme mir den Luxus heraus, auszuprobieren. Aber wahrscheinlich mache ich keinen Hip-Hop (lacht).

Zugleich wollen Sie heuer noch ein Buch veröffentlichen?

Wurst: Ob es noch heuer kommt, das unterschreibe ich nicht. Aber ich mache mit 25 Jahren keine Autobiografie - das wäre lächerlich. Mein Leben wäre insgesamt zu langweilig, um damit ein spannendes Buch zu füllen! Ich hatte noch nie einen Riesenrückschlag in meinem Leben - und dafür bin ich sehr dankbar. Und ein Buch verkauft sich nicht gut, wenn immer alles happy peppy ist. Wenn ich ein Buch herausbringe, wird es sicher eines, das nicht das literarische Hochwerk, aber vielleicht für Menschen ist, die gerne Bilder anschauen...

Ist für Sie der Gang ins Ausland, um etwa in New York durchzustarten, eine Option?

Wurst: Für mich ist vieles eine Option. Ich lebe gerne in Wien, aber ich weiß auch, dass ich irgendwann mal ein paar Jahre weg muss. Ich will auch die Welt sehen! Und dann sage ich: So, ich ziehe in zwei Monaten aus.

Noch steht ja nicht fest, wo der Song Contest 2015 ausgetragen wird. Aber ist der ORF schon auf Sie zugekommen wegen einer möglichen Moderation?

Wurst: Ich hoffe, dass ich sprechender Weise dabei bin. Ich habe noch kein konkretes Angebot bekommen, aber ich habe es unauffällig fallen lassen bei der Pressekonferenz (lacht)... Ich würde das schon gerne machen - auch wenn ich dazu tendiere, lange Geschichten zu erzählen, die gar nicht am Teleprompter stehen. Ob die da eine Freude an mir haben?

Wer wäre denn Ihr präferierter Co-Moderator: Christoph Waltz? Andy Borg?

Wurst: Christoph Waltz steht schon sehr weit oben auf meiner Liste. Aber ich habe mit Freunden schon als inoffizielles Kreativteam überlegt, und wir sind nach einer beschwingten Nacht auf eine nette Idee gekommen: Zwei junge, eloquente und witzige Moderatoren, die man noch nicht kennt, an der Seite und in der Mitte Dagi Koller. Ich glaube, dass sich Europa verlieben würde in Dagmar Koller.

Sie sind auch nach ihrem Sieg stets souverän aufgetreten und bewegen sich scheinbar leichtfüßig auf internationalem Parkett. Wie kommt es, dass Sie - mit Verlaub - eine so coole Sau sind?

Wurst: Ich glaube, dass meine Eltern mir eine gewisse Wurschtigkeit gegenüber Negativität antrainiert haben. Ich tendiere schnell dazu, von Negativität gelangweilt zu sein. Das ist unhöflich, weil die Menschen oft auch was zu sagen haben. Vielleicht ist das auch naiver Selbstschutz, aber es funktioniert gut. Und neben Persönlichkeiten wie Kirsten Dunst zu sitzen, ist in der Situation für mich ganz natürlich. Erst danach kommt das: Was habe ich getan?!

Haben Sie keine Angst, dabei die Bodenhaftung zu verlieren?

Wurst: Die Tatsache, dass Tom immer noch meine Wäsche wäscht und meine Rechnungen bezahlt, hilft mir schon, am Boden zu bleiben. Ich habe einfach den Luxus, beide Welten zu haben. Und das würde ich nicht anders wollen, denn ich genieße es, in die U-Bahn zu steigen und einkaufen zu fahren.

Kommentare