Bitte, ihr seid nicht ehrlich

Kurz und Co. fordern Burkaverbot oder 1-Euro-Jobs, sagen aber nicht, was das bewirkt

von Julia Ortner © Bild: News/Ian Ehm

Wenn Sie in letzter Zeit keinem Journalisten in Burka auf Investigativ-Ausflug begegnet sind, dann haben Sie Glück gehabt – immerhin las man noch wenige Selbsterfahrungs-Geschichten von männlichen Kollegen in Burkinis, auch beruhigend. Wenn Sie in letzter Zeit keine Diskussion über die Mindestsicherung geführt haben oder sich nicht einmal die Idee der Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge durch den Kopf gehen ließen, dann waren Sie auf Urlaub in sehr, sehr weiter Ferne. Das Verbot der Vollverschleierung oder die Reduktion der Mindestsicherung für arbeitslose anerkannte Asylwerber, falls sie keine 1-Euro-Jobs annehmen – das sind die neuesten Vorschläge aus der selbst ernannten Politiker-Neigungsgruppe „hart, aber fair“, also Vorschläge von Außenminister Sebastian Kurz. Die Volkspartei fordert heute unverblümt Verbote und Restriktionen ein, die man bei der FPÖ noch vor zwei Jahren als Schmuddelkram abgetan hätte. Das Motto von Kurz und Co.: Bitte, wir sind nur ehrlich, wir sprechen halt die Tatsachen und Probleme an!

»Denn sie sagen nicht, was sie wollen – das muss man der Symbolpolitik vorwerfen«

Es ist natürlich gesellschaftspolitisch wichtig, sich um die Rechte von Frauen zu kümmern, es ist vernünftig, Asylwerbern eine Beschäftigung geben zu wollen, es ist naheliegend, dass komplexe politische Inhalte oft durch Symbole überlagert werden – ein schwarzes Tuch über dem Körper einer Frau, und alle kennen sich aus: Runter mit der Burka, Integrationsprobleme gelöst. Die Symbolpolitik wirft uns ihre Forderungen einfach hin, ohne klar zu sagen: Was bedeutet das in der Praxis? Wie verändert das die Lebensrealitäten? Und was verändert sich in unserer Gesellschaft? Denn sie sagen nicht, was sie wollen – das muss man dieser Art von Politik vorwerfen. Zum Beispiel in der Debatte um die Burka. Viele von uns möchten diese Verhüllung von Frauen im öffentlichen Raum nicht akzeptieren, auch ich tue mir da sehr schwer, aber ich denke, das müssen wir als Gesellschaft leider aushalten. Die Verschleierung zu verbieten hätte laut dem Terrorforscher Peter R. Neumann keine Wirkung im Kampf gegen Islamisten; in Belgien oder Frankreich, wo man so ein Verbot bereits praktiziert, gibt es zahlreiche Attentate. Wenn wir Frauen nicht verschleiert sehen wollen, hätte das aber diese Folge: Sie werden von uns weggedrängt und damit noch mehr unter das patriarchalische System gezwungen. Viele Betroffene dürfen dann unverhüllt gar nicht mehr raus, die realen Probleme der Integration bleiben uns dennoch erhalten.

In der Mindestsicherungs-Debatte um die 1-Euro-Jobs für beschäftigungslose anerkannte Asylwerber sollte man dazusagen, dass Druck auf Arbeitslose generell auch andere Konsequenzen hat. Sie müssen schlecht bezahlte, unsichere Arbeit annehmen, der Niedriglohnsektor wird ausgeweitet. In Deutschland mit seinem Hartz-IV-System ist das längst passiert – die dunkle Seite des Jobwunders, erklärte der Soziologe Klaus Dörre kürzlich im „Kurier“. Bis zu 24 Prozent der Beschäftigung seien schon im Niedriglohnbereich angesiedelt, Deutschland erkaufe sich das Sinken der Arbeitslosigkeit durch schlechte Jobs – von denen die Menschen kaum leben können. Dass man mit 1-Euro-Jobs dazu beiträgt, eine neue Unterschicht zu produzieren, die es großteils vielleicht nie in den regulären Arbeitsmarkt schafft, das könnte man als Politiker auch einmal aussprechen. Bitte, seid doch ehrlich.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: ortner.julia@news.at

Kommentare

nureinnick

Sind Sie verrückt? Das kann man doch nie sagen, erstens verstehen die Stammtischgröhler das nicht und falls doch, dann hätt es sich schnell ausgezaubert.
Sobald die 1 Euro Jobs für Asylanten kommen, werden die nächsten Schritte nach der 1500 Euro BMS Deckelung für ALLE auch die Einführung der 1 Euro Jobs für ALLE sein. - Und dann - erst dann gehts der Wirtschaft gut. Kurz halt!

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