Innsbruck-Wahl bringt "Mitte-Links"-Rutsch

Innsbruck hat einen "Mitte-Links"-Rutsch erlebt. Grünen-Amtsinhaber Georg Willi landete bei der Gemeinderatswahl mit 22,89 Prozent an erster Stelle. Ex-ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (JA - Jetzt Innsbruck) schaffte es mit 19,37 Prozent als Zweiter ebenfalls in die Stichwahl am 28. April. Koalitionsmäßig winkt wohl ein Bündnis links der Mitte.

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Hannes Anzengruber und Bürgermeister Georg Willi
© APA/Johann Groder Hannes Anzengruber und Georg Willi

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Grünen-Amtsinhaber Georg Willi fuhr bei der Gemeinderatswahl einen in dieser Form nicht erwarteten Sieg ein: Er landete in der Direktwahl mit 22,89 Prozent an erster Stelle. Paukenschlag zudem: Ex-ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (JA - Jetzt Innsbruck) schaffte es mit 19,37 Prozent als Zweiter ebenfalls in die Stichwahl am 28. April. Koalitionsmäßig winkt wohl ein Bündnis links der Mitte.

Nicht in die Stichwahl gelangte FPÖ-Bürgermeisterkandidat Markus Lassenberger, der mit 15,92 Prozent auf Rang drei rangierte, knapp vor SPÖ-Kandidatin Elisabeth Mayr mit 15,22 Prozent. Eine schwere Niederlage musste Ex-ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky einstecken, der mit dem bürgerlichen Bündnis "das Neue Innsbruck" angetreten war. Er blieb mit nur 10,41 Prozent in der Direktwahl weit abgeschlagen. Den sechsten Platz sicherte sich Liste Fritz-Landesobfrau und Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider mit 4,62 Prozent. Ein Achtungsergebnis fuhr KPÖ-Frontfrau Pia Tomedi mit 4,06 Prozent ein.

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Bei der Listenwahl siegten laut vorläufigem Endergebnis ebenso die Grünen mit 18,87 Prozent. Sie büßten damit im Vergleich zu 2018 einige Prozentpunkte ein (2018: 24,16 Prozent). Bei den Mandaten verlor man zwei und hält nun bei acht von 40 Gemeinderatsmandaten. Auch hier landete Anzengrubers "JA - Jetzt Innsbruck" bei seinem ersten Antreten auf Platz zwei: 16,83 Prozent und ebenso starke acht Mandate heimste der Ex-ÖVP-Vizebürgermeister ein. Dahinter landete die FPÖ mit 15,21 Prozent und sieben Mandaten (2018: 18,56 Prozent und acht Mandate). Auf Platz vier kam die SPÖ mit 13,58 Prozent und sechs Mandaten - was ein schönes Plus bedeutete, denn bei der letzten Wahl war man auf 10,32 Prozent und vier Mandate gekommen.

Enttäuschend auch hier das Abschneiden von Turskys "das Neue Innsbruck". Es reichte lediglich für 10,15 Prozent und vier Mandate: Zum Vergleich: Die jetzigen Hauptbündnispartner ÖVP und "Für Innsbruck" waren 2018 auf 12,17 Prozent bzw. 16,15 Prozent gekommen. Und zusammen noch auf zwölf Mandate. Ein Debakel, die mit viel Pomp gefeierte "Wiedervereinigung" von ÖVP, "Für Innsbruck" und dem Seniorenbund erlitt vorerst Schiffbruch. Im Stadtparlament landete die Liste Fritz mit 5,5 Prozent und zwei Mandaten (2018: 3,23 Prozent und ein Mandat), wobei weder bei Listen- noch bei Direktwahl die Bäume - auch mit Frontfrau Landeschefin Haselwanter-Schneider - in den Himmel wuchsen.

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Den "Mitte-Links"-Rutsch verdeutlichten nicht nur die Erfolge von Grünen und SPÖ und mit Abstrichen des eigentlich bürgerlichen Anzengruber, sondern auch das Abschneiden von linken "Kleinparteien": Überraschend den Sprung in den Gemeinderat und über die Vier-Prozent-Hürde schafften die Kommunisten mit 6,72 Prozent und drei Mandaten. Knapp drinnen ist auch die Liste "ALI", eine Art frühere Grünen-Abspaltung, mit 4,83 Prozent und zwei Mandaten. Beim letzten Urnengang hatte es nur für ein Mandat gereicht.

Somit sind künftig acht Listen im Innsbrucker Gemeinderat vertreten. Um zwei weniger als bisher. Alle andere Kleinparteien - darunter auch "Gerechtes Innsbruck" von Gerald Depaoli - verpassten den Sprung in das Stadtparlament. Ernüchternd etwa das Abschneiden der NEOS: 3,51 Prozent waren zu wenig, das bisher eine Mandat ging verloren. Die Vier-Prozent-Hürde trennte also doch etwas die Spreu vom Weizen.

In puncto möglicher Koalitionen nach der Wahl, die konkret wohl erst nach der Stichwahl verhandelt werden, tut sich jedenfalls ein großes Fenster für eine Mitte-Links-Variante auf, etwa in der wahrscheinlichen Form einer Dreierkoalition. Denn die Grünen, die Anzengruber-Gruppierung und die SPÖ kommen zusammen auf 22 Gemeinderatsmandate und etwa 48 Prozent, was auch für eine Stadtsenatsmehrheit reichen würde. "Mitte-Rechts" in verschiedensten Varianten erreicht hingegen nach derzeitigem Stand keine Mehrheit im Stadtsenat. Letzterer verfügt derzeit über sieben Mitglieder.

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Die Wahlbeteiligung stieg von 50,38 Prozent auf nunmehr 60,50 Prozent.

Der Live-Blog zum Nachlesen

Spitzenkandidat:innen im Überblick

Georg Willi (Grüne)

Georg Willi
© APA/EXPA/Johann Groder Georg Willi

Georg Willi regiert seit 2018 als erster und einziger grüner Bürgermeister eine Landeshauptstadt. Nach diversen Vorfällen wie unter anderem (bereits eingestellte) Korruptionsermittlungen und der geplatzten Koalition mit der ÖVP gilt er allerdings als angeschlagen. Die Teuerung und hohen Wohnkosten in Innsbruck setzen Willi, der zuletzt vor allem bei Studenten und Studentinnen punkten konnte, ebenfalls zu. Es könnte zu einem Dreikampf zwischen Willi, dem FPÖ-Chef Markus Lassenberger und dem ÖVP-Kandidaten Florian Tursky kommen.

Florian Tursky (ÖVP/Das neue Innsbruck)

Florian Tursky
© IMAGO/SEPA.Media Florian Tursky

Florian Tursky kennt man in Österreich als Digital-Staatssekretär. Nun kandidiert er für den Posten des Bürgermeisters und könnte Willi tatsächlich gefährlich werden, denn im Gegensatz zur letzten Wahl, bei der gleich drei bürgerliche Listen (ÖVP, Für Innsbruck und der Seniorenbund) antraten, haben sich diese nun zusammengetan. Gemeinsam treten sie als "Das neue Innsbruck" gegen den amtierenden Bürgermeister an.

Johannes Anzengruber (JA)

Johannes Anzengruber
© imago images/dmuk-media Johannes Anzengruber

Johannes Anzengruber, bisheriger ÖVP-Vizebürgermeister, möchte ebenfalls Stadtoberhaupt werden. Er wurde allerdings aus der Volkspartei ausgeschlossen und kämpft nun für sich selbst.

Markus Lassenberger (FPÖ)

Markus Lassenberger
© APA/Liebl Daniel/Zeitungsfoto.at Markus Lassenberger

Ganze drei Mal wurde in Innsbruck seit 2018 ein:e Vizebürgermeister:in abgewählt. 2021 stieg der FPÖ-Chef Markus Lassenberger in diese Position auf. Bei der Wahl im April möchte er nun ganz nach oben und strebt den Bürgermeister-Posten an.

Elisabeth Mayr (SPÖ)

Elli Mayr
© APA/Expa/Erich Spiess Elisabeth Mayr

Die amtsführende Stadträtin für Bildung, Kinderbetreuung, Frauen, Integration und Sport der Tiroler Landeshauptstadt geht für die SPÖ in den Ring, wo man laut "meinbezirk.at" auf ein "rotes Wunder" hofft.

Julia Seidl (NEOS)

Julia Seidl
© IMAGO/Roland Mühlanger Julia Seidl

Julia Seidl ist die Bürgermeisterkandidatin der NEOS in Innsbruck. Ihr Mandat im Nationalrat als Tourismus- und Kultursprecherin hat sie dafür zurückgelegt.

Pia Tomedi (KPÖ)

Für die KPÖ Innsbruck tritt die Sozialarbeiterin Pia Tomedi an. Sie möchte vor allem Personen erreichen, die sonst nicht wählen würden, und setzt vor allem auf das Grundrecht auf leistbares Wohnen. Tomedi plant, ebenso wie Elke Kahr in Graz und Kay-Michael Dankl in Salzburg, einen Teil ihres Gemeinderatsbezugs an Menschen in Notlagen abzugeben, wie "meinbezirk.at" berichtet. Die Vier-Prozent-Hürde hält sie für überwindbar.

Andrea Haselwanter-Schneider (Liste Fritz)

Andrea Haselwanter-Schneider
© imago images/Sammy Minkoff Andrea Haselwanter-Schneider

"Ich trete nicht für mich selber an, ich hab einen Job. Es braucht Alternativen zu den Altparteien", kommentiert Haselwanter-Schneider ihre Entscheidung, als Spitzen- bzw. Bürgermeisterkandidatin bei der Innsbrucker Gemeinderats- und Bürgermeisterdirektwahl ins Rennen zu gehen. 2018 war die landesweit etablierte Liste Fritz nur bei 3,23 Prozent und einem Mandat zu liegen gekommen. Mit Haselwanter-Schneider als Bürgermeisterkandidatin im Ring hat die Liste Fritz allerdings Aussicht auf ein Stimmen-Plus bei der Listenwahl und zumindest ein Achtungsergebnis bei der Bürgermeisterdirektwahl.

Helmut Buchacher (DU I – Die Unabhängigen Innsbruck)

Helmut Buchacher
© IMAGO/SEPA.Media Helmut Buchacher

Der ehemalige SPÖ-Klubobmann Helmut Buchacher tritt nach Verwerfungen mit den Sozialdemokraten einer eigenen Liste an. Für den im Unterschied zu Mayr bisher dem rechten Parteiflügel angehörenden "Veteran" wird es aber kein leichtes Unterfangen, die erstmals geltende Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in das Stadtparlament zu schaffen.

Weitere Listen

Für die im Gemeinderat mit derzeit jeweils einem Mandatar vertretene linke "Alternative Liste Innsbruck" (ALI) sowie das im politischen Spektrum Mitte-Rechts angesiedelte "Gerechte Innsbruck" dürfte es kein Leichtes werden, die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Stadtparlament zu schaffen. Wohl nur verschwindende Chancen auf eine Zukunft im Gemeinderat haben die bisher dort nicht vertretenen Listen "Einig Innsbruck" (EINIG) sowie "TUN".

Wer darf wählen?

Den Gemeinderat und den/die Bürgermeister:in in Innsbruck wählen darf laut "innsbruck.gv.at" jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger, die bzw. der

  • am Stichtag den Hauptwohnsitz in Innsbruck hat, es sei denn, dass er/sie sich noch kein Jahr in der Stadt aufhält und der Aufenthalt offensichtlich nur vorübergehend ist,
  • spätestens am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet hat und
  • nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist.

Wahlergebnis 2018

Bei der letzten Gemeinderats- und Bürgermeister:innen-Wahl in Innsbruck landeten die Grünen mit knapp über 24 Prozent auf dem ersten Platz, dahinter folgte die FPÖ mit fast 19 Prozent. Die bürgerliche Liste "Für Innsbruck" erreichte 16 Prozent, die ÖVP 12 Prozent, die SPÖ knapp über 10 Prozent und die NEOS 4,7 Prozent. In der Bürgermeister:innen-Stichwahl setzte sich Georg Willi (Grüne) mit fast 53 Prozent gegen Christine Oppitz Plörer (FI) mit 47 Prozent durch.