Megxit: Warum ist
es Meghans Schuld?

Die "Sussexes" sind zurückgetreten. Die Schuld dafür trägt die Herzogin allein: "Megxit" heißt die royale Krise. Dass Frauen stets zum Sündenbock gemacht werden, hat viele Ursachen.

von Menschen - Megxit: Warum ist
es Meghans Schuld? © Bild: Getty Images

Die Vorwürfe beinhalten Undankbarkeit und Egoismus sowie Rücksichtslosigkeit gegenüber der Queen und werden in unschönen Worten und Bildern weltweit verbreitet: weltweite Reaktion auf die monumentale royale Krise nach der Ankündigung des Herzogs und der Herzogin von Sussex - Prinz Harry und Meghan Markle -, sich als ranghohe Royals künftig zurückziehen zu wollen. Zwischen Nordamerika und Großbritannien wolle man Klein- Archie sowohl Tradition als auch Freiheit erleben lassen, weiterhin der Queen dienen, nebstbei aber finanziell unabhängig sein. Das ließen die "Sussexes" wissen. Die Queen verkündete nach einer Krisensitzung, dass sie den Wunsch des Paares, "ein neues Leben als junge Familie aufzubauen, voll und ganz" unterstütze. Details werden nun ausgearbeitet. Was bleibt, ist die binnen weniger Schlagzeilen geklärte Schuldfrage. Noch viele Generationen werden vom "Megxit" sprechen. Auch wenn beide das Rückzugsstatement unterschrieben haben, trägt die Krise Meghan Markles Namen.

Binnen drei Jahren soll die 38-jährige Amerikanerin den 35-jährigen britischen Prinzen vorsätzlich derart manipuliert haben, dass er nun willenlos ihren Wünschen folgt und sie zum royalen Titel und den Millionen -Skandal! - auch noch ihre Freiheit bekommt. So lautet die Argumentationslinie gegen Meghan Markle. Damit ist die schöne Schauspielerin in guter Gesellschaft: Wie sie hat immerhin zuvor Yoko Ono John Lennon von den Beatles weggehext, Angelina Jolie Brad Pitt aus seiner Ehe und Wallis Simpson einen amtierenden König aus dem Amt. Und so weiter. Schuld sind die Frauen. Selbst, wenn es die Männer waren. Die Gründe dafür sind vielfältig.

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Zum einen ist da die Außenseiterrolle, die Schuldzuweisungen begünstigt. Meghan Markle war im Königshaus stets ein fremdartiges Wesen. Nicht nur wegen ihrer Nationalität, ihrer afroamerikanischen Mutter, ihrer erfolgreichen Karriere. Vielmehr, weil all diese Dinge zusammen sie zu einer meinungsstarken Person mit wenig Furcht vor Konflikten machten. Schon bei ihren ersten öffentlichen Auftritten verkündete sie karitative Pläne und dass sie sich nicht dreinreden lasse.

Menschen, die ihrem Leben schadeten, entfernte sie stets umgehend. Exfreunde, Journalisten, indiskrete Halbgeschwister oder den Vater, der private Briefe an eine Boulevardzeitung weitergab (ein Gerichtsverfahren "Markle vs Markle" ist im Laufen). Wenn die eigene Schwester sie im aktuellen Interview (siehe Kasten S. 67) als "selbstsüchtig" bezeichnet, ist das für eine Frau vom Schlag Meghans vermutlich ein Kompliment. Mutter Doria Ragland war laut "Daily Mail" erleichtert über den Befreiungsschlag der Tochter und dass sie ihre "mentale Gesundheit und ihr Wohlbefinden an erste Stelle setzt".

Als zu meinungsstark, zu laut, zu feministisch wurde Markle von Anfang an kritisiert. "Dies sind Eigenschaften, die man oft auch schwarzen Frauen zuschreibt", analysiert Genderforscherin und Kulturwissenschaftlerin Beatrice Frasl. "Eine Vermischung von Misogynie und Rassismus ist hier deutlich zu erkennen.

Unroyale Attribute

Attribute, die jedem Mann Ehre machen würden -durchsetzungskräftig, geradlinig, zielstrebig -passen offenbar nicht zur Weiblichkeit und schon gar nicht zu Frauen im britischen Königshaus.

Den Grund für die klare Schuldzuweisung an Markle sieht Frasl im Bruch mit archaisch-patriarchalen Vorstellungen. Markles Weigerung, die popkulturell verankerte Erwartung ans Prinzessin-Dasein zu erfüllen, wirkt dabei als Multiplikator. "Es gibt die popkulturelle Vorstellung, dass Frauen generell ein genuines Interesse daran haben, Prinzessin sein zu wollen.

Prinzessin Diana "wäre sauer" auf Prinz Harry

Dem liegt die patriarchale Vorstellung zugrunde, dass Frauen nur über einen Mann an Macht gelangen können. In weiterer Folge übt dieser für sie Macht aus. Beiden Vorstellungen widerspricht diese Frau mit dem Rückzug. Er ist ein Emanzipationsmoment gegenüber der patriarchalen und popkulturellen Vorstellung davon, was eine Prinzessin zu tun hat. Der wird naturgemäß als Affront gesehen."

Harry, das Opfer

Während Meghan die Schuld zugeschoben wird, befindet sich Prinz Harry in der Opferrolle. Medien, die jahrelang über seine rebellischen Eskapaden und Ausbruchsversuche aus dem royalen Goldkäfig berichtet haben, stellen "Dirty Harry" plötzlich als willenloses Opfer von Meghans manipulativen Fähigkeiten dar. Das Schlagwort "Megxit" verdeutlicht dies. "Warum sagt man nicht Harry-viderci?", fragt Kulturwissenschaftlerin Frasl.

Dass der Rebell nun als Opfer betrachtet wird, erklärt sie mit der gesellschaftlich verankerten Vorstellung der Hypergamie. "Damit ist das Hinaufheiraten von Frauen in eine höhere gesellschaftliche Schicht gemeint, weil Frauen nur so zu gesellschaftlicher Macht und Status kommen." Diese Vorstellung gehe Hand in Hand mit der Idee, Frauen in der heterosexuellen Ökonomie hätten ihren Körper erfolgreich einzusetzen, um Einfluss auszuüben.

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Die Vorstellung, dass der Mann einer Frau willenlos ausgeliefert ist, wurde von unserem hegemonialen Männerbild geprägt, so Frasl. "Demnach werden Männer, wenn sie mit schönen Frauen und Hormonen konfrontiert sind, willenlos. Der Mann kann sich nicht mehr kontrollieren und ist der Frau unterworfen. Dieses Männerbild zeigt sich oft, wenn über sexuelle Gewalt gesprochen wird."

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Für eine Zukunft, in der Schuld nicht länger nur weiblich ist, brauche es langfristig auch starke Männer, sagt Frasl. "Die Emanzipation braucht beide. Mit dem fragwürdigen Weiblichkeitsbild kommt ja auch ein fragwürdiges Männerbild. Frauen sind zwar strukturell benachteiligt, aber auch Männer verlieren viel dadurch, dass wir in einem patriarchalen Kontext leben. Es beginnt damit, dass sie einen Teil ihrer Menschlichkeit verleugnen müssen, weil sie stark sein müssen und keine Gefühle zeigen dürfen." Es ist das Männerbild, das Prinz Harry zwang, den Sarg seiner Mutter zu begleiten.

So gesehen sollte es kaum überraschen, dass er in eine Zukunft neuer Rollenbilder geht. Mit einer Frau, die Schuldzuweisungen aushält.

Der Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 3/2020) erschienen!