Wie starb Andreas?

Der Vater des toten Jugendlichen glaubt nicht an einen Unfall

von Der Vater des zu Tode gestürzten Jugendlichen steht vor der Mordkommission auf Mallorca. © Bild: News/Herrgott Ricardo

Ähnlich die Kommentare in den Lokalen der nahe gelegenen Schinkenstraße. Männer und Frauen, jung, alt, stehen an den Tresen; vor sich Gläser, gefüllt mit Hochprozentigem – und schauen den Vater verständnislos an. Scheinen nicht zu verstehen, warum er ihnen Fotos von seinem Kind präsentiert. Rückblick auf den 16. August 2012: Andreas, Bruder Philipp und Daniel, 16, ein Freund und Arbeitskollege der beiden, besteigen um 17.55 Uhr in Salzburg eine Air-Berlin-Maschine nach Palma de Mallorca. Erst eine Woche davor war der Trip auf die Balearen gebucht worden; auf Drängen von Heinrich Kletzl. „Die drei hatten in den vergangenen Monaten extrem geschuftet und sich eine kleine Auszeit verdient.“ Und das Angebot vom Reisebüro klang ja auch gut: fünf Tage im 4-Sterne- Hotel, all-inclusive. Preis pro Person: knapp 700 Euro.

„Wir tranken Fanta.“

Der Airbus landet pünktlich um 20 Uhr auf der Insel. Ab in einen Bus, der das Trio zum „Ballermann“ bringt. Einchecken im „Riu Playa Park“. Ein Begrüßungscocktail: Sekt für den 25-Jährigen, Orangensaft für die zwei Burschen. Daniel wird im ersten Stock untergebracht, Philipp im sechsten; Andreas bezieht Zimmer 428 in der vierten Etage. Mittlerweile ist es 22 Uhr. Die drei jungen Männer hasten zum Buffet; essen Spaghetti bolognese. Trinken Fanta. Übersiedeln danach an die Poolbar, bestellen Bier. Kurz nach 23 Uhr gehen sie auf ihre Zimmer; packen die Koffer aus. Telefonieren miteinander. Andreas und Daniel beschließen, die Gegend zu erkunden; Philipp will bloß noch schlafen.

„Plötzlich war er weg.“

Gegen Mitternacht kehren die beiden Lehrlinge in die Disco „Paradies“ ein. Sie konsumieren je zwei Bier und ein Wodka- Red-Bull. Kommen mit einem 18-jährigen Kölner ins Gespräch. „Er hieß Orsani“, erinnert sich Daniel. 2 Uhr: Die Oberösterreicher und der Deutsche einigen sich, das Lokal zu wechseln. Schlendern die Schinkenstraße hinauf, zum „Bierkönig“. Daniel und Andreas ordern abermals Bier und Wodka-Red- Bull. Werden langsam müde. Um 3.30 Uhr fassen sie den Entschluss, ins „Riu“ zurückzukehren, verlassen die Mega- Kneipe. Geschubse. Gedränge. „Plötzlich“, so Daniel, „konnte ich meinen Freund nicht mehr sehen. Fand aber nichts Alarmierendes daran. Also ging ich alleine heim – und dachte, dass er dasselbe tun würde.“ Fest steht: Andreas muss, nachdem er seinen Freund in der Menge verloren hatte, noch am Strand gewesen, bis zu den Knien ins Meer getaucht sein. Wollte er an seinem ersten Urlaubstag einen Blick auf die See werfen? Hat er auf der Schinkenstraße oder am „Playa“ irgendwen kennengelernt?

Ungeklärte Fragen

Als gesichert gilt lediglich: Um 4.51 Uhr betritt der 17-Jährige – wie Überwachungsbilder dokumentieren – das in der Nähe des „Riu“ gelegene Hotel „Obelisco“. Marschiert in den ersten Stock. Später werden dort, am Gang, seine mit Sandkörnern bedeckten Sneakers gefunden. Ist er in ein Zimmer zu einem Privatfest geladen gewesen? „Es hätte zu meinem Sohn gepasst“, meint Heinrich Kletzl, „dass er, bevor er einen Raum betritt, die Schuhe auszieht.“ Überhaupt nicht begreiflich sind dem Vater die Rekonstruktionen, welche die Kripo bezüglich der weiteren Handlungen des Lehrlings angestellt hat. Den Vermutungen der Fahnder zufolge wäre Andreas in der zweiten Etage auf die Notfallstiege gelangt. Auf ein massives Betongerüst im Freien; umschlossen von 1,30 Meter hohen Mauern. Dann soll er auf die dritte Ebene „vorgedrungen“ sein und sich seiner bis zu den Knien nassen Jeans entledigt haben. Nur bekleidet mit Boxer- Shorts, einem schwarzen TShirt und seiner Mickymaus- Kappe, sei er letztlich bis zum sechsten Stock gewandert; hätte da ein Nickerchen gemacht. Bis er, so ist im Polizeibericht zu lesen, „im Morgengrauen aufwachte – und abstürzte“.

Unfall – oder Mord?

Es ist 6.18 Uhr, als bei der Rezeption des „Obelisco“ ein Anruf aus Zimmer 214 getätigt wird. Drei Männer aus Nürnberg – 33, 28 und 27 Jahre alt – geben an, bis jetzt auf ihrem Balkon „gechillt“ und eben ein „irres Geräusch“ gehört zu haben. Eine Nachschau vor dem Hotel. Andreas liegt dort. In einer riesigen Blutlache. Sein Schädel zertrümmert; Arme und Beine verdreht. Die Augen offen. Tot. Bald sind Ballermann-Cops vor Ort. Ihre rasche Diagnose: Der Bub ist bei einer „Balconing- Aktion“ gestorben. Seit Juni sind in „El Arenal“ 34 Jugendliche bei Sprüngen von Balkon zu Balkon verunglückt; 18 davon bezahlten ihr absurdes Agieren im Rausch mit dem Leben. Warum sollte also der Tod des Oberösterreichers andere Hintergründe haben?

„Der Andi ist tot.“

Freitag, 17. August. 9 Uhr. Heinrich Kletzl erhält einen Anruf von Philipp. „Du, Papa“, schluchzt der 25-Jährige, „der Andi ist tot.“ Bald darauf meldet sich eine Mitarbeiterin des Reiseveranstalters, über den der Lehrling seinen Urlaub gebucht hatte: „Sollen wir Ihren Buben in einer Urne oder im Sarg nach Österreich schicken?“ Noch am selben Tag fliegen Andreas’ Eltern nach Mallorca, bestehen auf einer Obduktion ihres Kindes. Und darauf, dass der Fall von der Mordkommission überprüft wird. Mittlerweile steht fest: Im Blut des 17-Jährigen wurden lediglich 1,15 Promille gemessen. Aus seiner Brieftasche fehlen 300 Euro, mit seinem Handy wurde nach seinem Tod innerhalb von 48 Stunden um 1.000 Euro telefoniert. Nach Afrika, nach Spanien. Von wem? Eine weitere wichtige Frage, die bis dato ungeklärt blieb: Wieso prallte der Bursch viereinhalb Meter von der Absturzstelle entfernt am Boden auf? Wurde der 17-Jährige in den Abgrund gestoßen? Weil er vielleicht, wie Heinrich Kletzl vermutet, mit Drogen betäubt und danach „entsorgt“ wurde? „Wäre der Bub an einem ruhigeren Platz der Insel gestorben, wären wir diesen Fakten genauer nachgegangen“, geben die Ermittler im NEWS-Interview zu. Aber am „Ballermann“ sei halt der Tod eines Touristen „leider nichts Außergewöhnliches“. Womit die Causa in Spanien als abgeschlossen gilt. Sonntag, 2. September. Es regnet auf Mallorca. Heinrich Kletzl geht noch einmal über den Strand von „El Arenal“. „Ich will endlich nachhause“, sagt er weinend. Zu Andreas. Vor ein paar Stunden wurde der Bub nach Österreich überstellt. Wo er jetzt neuerlich obduziert werden soll. „Ich bin meinem Sohn einfach schuldig“, so der Vater, „dass alles getan wird – um die Wahrheit über seinen Tod herauszufinden.“

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Mein Gott, die news-Berichte werden immer dramatischer und schwülstiger geschrieben. Der Fall ist sicher schlimm aber so schreibt nicht mal die Kr...

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