Mit Urin zum Mars?

Forscher: Ausscheidungen der Astronauten können in Treibstoff verwandelt werden

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Weltraum - Mit Urin zum Mars?

Das Wunder-Bakterium heißt "Brocadia anammoxidans". Es frisst im Zuge der "Anaeroben-Ammoniak-Oxidation" (Anammox) das im Urin enthaltene Ammoniak auf. Dabei spuckt es Hydrazin aus, das ein wichtiger Treibstoff der Raumfahrt ist, wie die Forscher herausgefunden haben. "Erstmals wissen wir nun, dass Hydrazin tatsächlich ein Zwischenprodukt ist - und wie es gebildet wird", so Studienleiter Mike Jetten.

Auch NASA wollte Urin nutzen
Zwar weiß man schon seit den 90er-Jahren von der Wirkung des Bakteriums, doch genaue Analysen fehlten. Die anfängliche Aufregung legte sich, als sich herausstellte, dass die erzeugbaren Hydrazin-Mengen nur gering sind. Auch die NASA, die mit Astronauten-Urin zum Mars fliegen wollte, verlor ihr Interesse.

Jetten erforschte nun die genaue Kristallstruktur des Proteinkomplexes, der dem Anammox-Bakterium seine außergewöhnliche Fähigkeit verleiht. "Nachdem wir das Konzept des Organismus erarbeitet hatten, mussten wir die Proteine identifizieren. Der Nachweis, dass Hydrazin als Zwischenprodukt gebildet wird, war ein mühsames Trial-And-Error-Verfahren. Doch er ist gelungen", sagt der Forscher.

Astronauten pinkeln zu wenig
Den Traum vom Marsflug mit Urinantrieb hat Jetten noch immer nicht aufgegeben. "Natürlich müssen noch viele Einzelheiten gelöst werden. Ein Problem ist, dass Astronauten einer Marsmission wohl kaum genügend Urin produzieren werden. Ohne derartige nachhaltige Lösungen ist das Vorhaben jedoch kaum zu realisieren - und bis zum Marsflug vergehen ja noch einige Jahre", so der Mikrobiologe. Dank der neuen Erkenntnisse sei zumindest eine Verbesserung des Hydrazin-Produktionsprozess in Reichweite.

Kommerziell wird Anammox bisher in der Wasserreinigung verwendet. Es etabliert sich immer mehr als Alternative zu klassischer Kläranlage, die ebenso Stickstoff entfernt, dabei jedoch ohne Sauerstoff und somit auch ohne Luftpumpen auskommt, was den Vorgang wesentlich billiger macht. Günstig ist auch, dass kein CO2 verbraucht und Methan erzeugt wird. Die weltweit ersten großtechnischen Anammox-Anwendungen stehen in Hattingen, Gelsenkirchen und Rotterdam.